Beeindruckendes musikalisches Bekenntnis zum Frieden (von Viktor Brettermeier)
Sänger und Instrumentalisten begeistern mit “The Armed Man” von Karl Jenkins
Das fünfzigjährige Bestehen eines Chores ist bereits ein guter Grund zu feiern. Wenn sich dieser runde Geburtstag dann noch im Jahr des 800jährigen Jubiläums der Heimatstadt ereignet, darf die Feierlichkeit auch größere Dimensionen annehmen – so geschehen am vergangenen Sonntag in der Werler Stadthalle.
Der Madrigalchor Werl initiierte anlässlich dieses Doppeljubiläums ein großes Chor- und Orchesterprojekt.
Das überaus eindrucksvolle Ergebnis: Ein musikalischer Appell für ein friedliches Miteinander aller Nationen und Religionen.
Zusammen mit dem Neuen Chor Neheim, zahlreichen Projektsängern und dem Studentenorchester der TU Dortmund führte der Madrigalchor unter der Leitung von Jörg Segtrop in der vollbesetzten Stadthalle die bewegende Friedensmesse “The Armed Man” von Karl Jenkins auf.
„The Armed Man“ ist den Opfern des Kosovokrieges gewidmet, nimmt aber Bezug auf viele andere Kriege des vergangenen Jahrtausends.
Das Werk zeichnet chronologisch den immer bedrohlicher werdenden Weg in einen Krieg nach, zeigt schonungslos das Grauen und das Leid, das Krieg mit sich bringt, endet jedoch optimistisch – mit der Hoffnung auf Frieden.
Mit dem Studentenorchester der TU Dortmund hatten die Choristen einen versierten und einfühlsamen musikalischen Partner. Das vollbesetzte Symphonieorchester lieferte einen oft filmmusikalisch anmutenden Sound mit einem breiten Streicherteppich, kraftvollen Blechbläsereinsätzen und quirligen Holzbläserpassagen. Die zarte Kantilene des Solo-Cellos im“ Benedictus“ ging ebenso unter die Haut wie die Solo-Trompete, die kurz nach dem Höhepunkt des “Schlachtengemetzels” und einer höchst spannungsgeladenen 30-sekündigen Generalpause eine einsame Fanfare blies, die das Ende des Kriegsgeschehens symbolisiert.
Die beeindruckende Anzahl von sechs Perkussionisten sorgte mit einer Vielzahl von Schlaginstrumenten für diverse klangliche Spezialeffekte, sei es mit zwei großen Trommeln, vier Pauken, Röhrenglocken oder Taiko-drum.
In der Musik Jenkins’ spiegeln sich die Epochen der kriegerischen Vergangenheit Europas. Mittelalterliche Gregorianik taucht ebenso auf wie die Vokalpolyphonie der Renaissance, Fanfaren, Marschmusik oder Folklore. Der Chor meisterte alle Herausforderungen und rhythmischen Finessen mit Bravour. Besonders erfreute die Ausgeglichenheit zwischen den einzelnen Stimmen (Sopran, Alt, Tenor und Bass). Auch zeigten die vereinigten Chöre ihre Stärke in den dynamischen Unterschieden: Gemeinsam mit dem Orchester waren die leisen Stellen schon nah an der Grenze zur Hörbarkeit, die lauten Passagen dagegen mit einer grandiosen Energie erfüllt, ohne dass es schreiend wirkte. Eine Ausnahme bildete das gewollte Schreien bei der Verklanglichung des Schreckens einer Kriegsschlacht.
Souverän leitete Jörg Segtrop die insgesamt über 200 Musiker durch das Werk.
Sie Mezzosopranisten Yanghee Cho meisterte ihre Solopartien souverän. Eine zusätzliche Besonderheit des Konzerts war der islamische Gebetsruf (Adhan).
Die euphorischen Ausbrüche, mitreißenden Rhythmen und beklemmenden Passagen der Stille in Jenkins´ Komposition wurden noch um ein Vielfaches intensiviert durch eine Videocollage.
Sicherlich kann man sich fragen, ob Jenkins’ Werk nicht genug aus sich selbst heraus gewirkt hätte. Wie der Komponist Jenkins selbst in eigenen Aufführungen hat sich der Madrigalchor Werl jedoch dazu entschlossen, die visuelle Ebene ebenfalls anzusprechen. Das Publikum nutzte dieses Angebot offenbar individuell, schaute während des Hörens zur Videoleinwand oder wandte den Blick zeitweise bewusst ab.
Welche Art der Rezeption auch gewählt wurde, wohl niemand im Publikum konnte sich der starken emotionalen Wirkung dieser vielschichtigen Aufführung entziehen.
Am Tag der Kulturen setzte der Madrigalchor Werl mit seinen musikalischen Gästen ein eindringliches Mahnmal gegen den Krieg und traf damit den Nerv des Werler Publikums, das nach dem Schlussakkord sichtlich berührt mit sofortigen Standing Ovations und minutenlangem Applaus allen Beteiligten dankte.