Einstimmung und Abschied: das Weihnachtsoratorium des Werler Madrigalchores ist mittlerweile ein guter Brauch kurz vor dem Weihnachtsfest. Am 23.12. gab es die festlichen Klänge aus den Kantaten I, IV bis VI in der Propsteikirche zum letzten Mal unter der Leitung von Jörg Segtrop zu hören.
Es sind wohl mit die bekanntesten Paukenschläge in der Geschichte klassischer Musik, exponiert, ganz direkt zum Anfang. Gefolgt vom Einsatz des ganzen Orchesters, mit majestätischen Bläsern und dem hymnischen Ausruf des Chores: “Jauchzet, frohlocket; auf, preiset die Tage!”.
Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium gehört für viele Musikliebhaber genauso wie “Oh du fröhliche” und “Stille Nacht” zum Weihnachtsfest dazu. Kunstvolle Klänge, die die biblische Botschaft der Geburt Jesu Christi verkünden, feiern und ausdeuten und die dabei an vielen Stellen so eingängig sind, dass man sie im Ohr noch lange mit sich herum tragen kann, die einem die Botschaft der Geburt Christi hören, spüren und mitfühlen lassen.
Dabei ist die Komposition auch ein Mammutwerk, die am Samstag vor Heiligabend dem Werler Madrigalchor höchste Konzentration abverlangte. Fast zwei Stunden Musik in der mit etwa 250 Zuhörern gut gefüllten Propsteikirche galt es zu genießen. Das diesjährige Programm hat der Chor in den vergangenen Jahren immer im jährlichen Wechsel mit den ersten drei Kantaten am 23.12. zu Gehör gebracht und damit einen festen kulturellen und geistlichen Ankerpunkt in Werl geschaffen. Auch in Coronazeiten musste man, wenn auch mit gravierenden Einschränkungen, nicht auf die Aufführung verzichten.
Und welcher Termin, welches Werk hätte da besser passen können, um nun am 23.12. den Abschied von Chorleiter Jörg Segtrop zum Jahresende vom Madrigalchor zu begehen? “Es fällt mir unglaublich schwer”, sagt er zu der Entscheidung, nach 15 Jahren die musikalische Leitung abzugeben. Es sei aber aktuell notwendig, mit der Chorleitung kürzer zu treten, auch angesichts der beruflichen Belastung im Schuldienst, erklärt der Fröndenberger Musiker. Und er ist überzeugt von seinem Nachfolger. Hartwig Diehl, der vor seinem Ruhestand als Kantor in Neheim wirkte, ist mit Jörg Segtrop gut bekannt. Vor allem seitdem der Madrigalchor 2018 zusammen mit Diehls Neheimer Chor “The armed man” – eine Messe für den Frieden von Karl Jenkins – zusammen erarbeitete und aufführte.
Zu seinem Abschied drückte Segtrop den Sängerinnen und Sängern höchste Wertschätzung aus. “Solche Chöre gibt es nicht mehr häufig, mittlerweile nur noch in den großen Zentren und in wenigen Orten mit besonderer Musiktradition”, ließ er über das Programmheft wissen.
Was er in den letzten Jahren mit seinen Schützlingen zusammen erarbeitet, wie er die klassische Chormusik gepflegt hat, exemplarisch nun am Weihnachtsoratorium, das fasst er so zusammen: “Was für ein unglaublicher Schatz ist diese Musik. Das ist es unbedingt wert, erhalten zu werden.”
Diese Musik müsse lebendig gehalten werden, unterstreich der scheidende Chorleiter. Und mit so viel musikalischer Klasse und Leidenschaft hatten alle Beteiligten zuvor fast zwei Stunden lang in der Propsteikirche gewirkt. Der Chor hat freilich nicht nur ganz zu Anfang jubelnde Hymnen, sondern bis hin zum strahlenden, festlichen Schlusschor gleich mehrfach, aber auch die innerlichen und meditativen Momente wie im bekannten Weihnachtschoral “Ich steh an deiner Krippe hier”.
Besonders im Ohr blieben auch die Momente des Auftakts in die sechste Kantate, wo der Madrigalchor die aufsteigende Fanfaren der Trompeten aufnahm. Ob nun kraftvoll das Gotteshaus erzittern lassen oder ein ganz feines Bett unter die Erzählungen der Rezitative legend: den richtigen, einühlsamen Ton fand auch immer das Orchester Musica antiqua Markiensis, mal mit warmem Klang der absichtlich tiefer gestimmten Oboen oder der Hörner, mal mit großer technischer Herausforderung für die Blechbläser.
Mit ihrer Präsenz ganz vorne im Altarraum wussten auch die Solisten zu gefallen, allen voran Gerrit Miehlke (Bass) wie aber auch Christiane Baumann (Alt), Anna Kristina Naechster (Sopran) und Thomas Iwe (Tenor).
Das Weihnachtsoratorium beschreibt die ersten Stationen im Leben Jesu, bis hin zur Epiphanie, allgemein auch als Fest der Heiligen Drei Köbige bekannt, in der sechsten Kantate. Jubel und Freude sind logischerweise die vorherrschenden Affekte, die biblischen Texte deutet Bach aber immer wieder so kunstvoll aus, dass auch die ärmliche Geburt in einem Stall musikalisch ausgedrückt oder sein baldies Leiden und der Tod am Kreuz zumindest schon angedeutet werden. Dennoch bleibt das Weihnachtsoratrium ein hymnischer und eingängiger Hörgenuss, nicht nur in der besonder leicht federnden und von 3er-Takten bestimmten vierten Kantate.
Ein Höchstmaß an Konzentration erforderte das auch von Chorleiter Jörg Segtrop, der sich nur kurze Verschnaufpausen zwischen den Kantaten genehmigen konnte, während die Instrumente nachstimmten. Er führte präzise und kontrolliert durch das Werk, ganz besonders im Anfangs- und Schlusschor holte er dann gestisch auch alles aus sich und den Musikern heraus. Die große Bühne zum Abschied in der Kirche wollte er aber nicht. Nach lang anhaltenden Standing Ovations und der Zugabe “Jauchzet, frohlocket” hielt es Segtrop in der Kirche kurz und knackig, und natürlich passend, nachdem er grinsend und sichtlich erfüllt auf seine Armbanduhr gedeutet hatte: “Vielen Dank, frohe Weihnachten!”
Im internen Rahmen präsentierte ihm sein langjähriger Chor im Anschluss ein umgetextetes Lied seines Lieblingschorals aus dem Oratorium und verabschiedete sich mit Geschenken und Dankesworten bei ihm.Text: Alexander Lück
Fotos: Thomas Nitsche u. Alexander Lück